Hintergrund

Aufbruch nach Kalifornien und Emanzipationsbewegungen in den USA

Quelle/Material

Dietrich from Agentur Bildung on Vimeo.

Harm-Peters „Ticket für die andere Welt“

“Und ich hatte immer gedacht, du müsstest es eigentlich als Mediziner irgendwann schaffen, mal in die USA zu kommen. Und als ich dann die Facharztanerkennung hatte für Anästhesie, da hab´ ich gedacht, wenn du´s überhaupt noch irgendwann schaffst, dann schaffst du es jetzt. Wobei hinzu kam, dass man natürlich auch schon aus meinem Traumziel Kalifornien, San Francisco, ab und zu hörte, da ist dann mit der Hippie-Bewegung 69, sind dann ganz andere Vorstellungen entstanden über Befreiung und Individualität und so weiter und so fort.”“Und bei der sehr kritischen Haltung, die wir heute in der Öffentlichkeit den USA gegenüber pflegen, die ich auch zum Teil einsehe und auch vertrete, muss man sagen, dass ich noch zu der Generation gehörte, die sich darüber im Klaren wurde, dass es die amerikanischen, oder alliierten Armeen waren, mit großem Blutverlust auch die amerikanischen Soldaten, die Deutschland vom Nationalsozialismus befreit haben.”“Ich hab´ dann den Brief aufgemacht und sah, dass ich (Pause) gewissermaßen das Ticket für die andere Welt hatte. Da hab´ ich also geheult (lacht verlegen), bewegt mich heute noch. (Pause) Ja, zwei Monate später bin ich los. Bin mit meinem VW Cabrio quer durch die USA gefahren. Erst nach New York, wo ich schwule Freunde kannte. So geht das, so kannte man sich, so sicherte man sich auch Standorte und Standbeine in der Welt.”

Schwules Leben in San Francisco

“Ja, so bin ich da angekommen. (Pause) Und eine andere historische Koinzidenz ist, zumindest für die verständlich, die den Film über das Leben und Werk von Harvey Milk gesehen haben, „Life and Works of Harvey Milk“, der ja der erste schwule Stadtverordnete San Franciscos wurde und für die amerikanische schwule Szene eine Ikone der schwulen Befreiung. Der stammte als Jurist aus New York und, in der Verfilmung bin ich überhaupt erst darauf aufmerksam geworden, als ich mir den Film hier in München (Berlin?) mit meinem Freund ansah, dass in den einleitenden Passagen des Films aus dem Off geschildert wurde, wie die damalige Situation war. Das heißt, die schwule Welt strömte nach Kalifornien, sozusagen in den Platz, den die Hippies vorbereitet hatten. Das war ja dann keine unmittelbare Hippie-Bewegung mehr, aber das war eben doch irgendwo ein Feld, auf…, wo man damit rechnen konnte, dass man liberal aufgenommen und akzeptiert wurde. Und da hieß es eben in dem Kommentar aus dem Off, dass junge Menschen aus der ganzen Welt nach San Francisco kamen und im November 1972 auch Harvey Milk aus New York. Es hieß, etwa 1.000 pro Monat kamen. Und da ist mir überhaupt erst, nach dem Film, klar geworden, dass das derselbe (lacht) Monat war. Es ist mir erst hinter eingefallen, sag mal, wann bin ich denn? Es war der November 72, als ich in San Francisco ankam. Ich war vier Jahre dort. Eigentlich die schönste Zeit meines Lebens, muss ich sagen.”“Wir haben also immer auch mein Auto gehabt, wir hatten die zwei Hunde und dann sind wir irgendwo (schmunzelt), irgendwo in Richtung Sierra gefahren, irgendwo an die alten Goldgräber-Flüsse. Es war eine unbeschreibliche Zeit. Und darüber könnte ich wirklich endlos erzählen. Von der…, ich muss dazu sagen, die Castro war damals ein so liberales durch und durch Schwulenviertel, dass wir (lacht), dass wir immer sagten, wir sind inzwischen so liberal, es dürften auch paar Heterosexuelle bei uns leben, wir würden die auch bei uns leben lassen und respektieren. Es war schon irgendwo sehr eigenartig umgekehrt. Und es war natürlich ein Paradies und deswegen… Ich musste nach vier Jahren zurück. (äh) Es ging darum, dass meine amerikanische Aufenthaltserlaubnis von vorne herein limitiert war, denn ich habe Geld vom deutschen Staat bekommen.”

Arbeitsaufträge

Aufgabe 1

Harm-Peters großer Traum war es in die USA zu reisen. Seht Euch die dazugehörigen Videos (B4.1 & B4.2) an. Notiert Euch Stichpunkte, warum er diese Reise machen wollte und was er dort im Vergleich zu Deutschland vorfand.

Tipp: Alternativ könnt Ihr auch eine Postkarte schreiben, die Dietrich einige Tage nach seiner Ankunft in San Francisco an einen Freund in Göttingen geschickt haben könnte (siehe Kapitel 3), z.B. um zu berichten, wie es ihm geht, was seine Eindrücke vom Castro-Stadtviertel sind, was er vermisst, was er toll findet, etc.

Aufgabe 2

Harm-Peter spricht von “Harvey Milk”. Findet mit Hilfe von Wikipedia und diesem Filmtrailer von “Harvey Milk” (2008) heraus, um wen es sich gehandelt hat und warum er (nicht nur) für die Schwulenbewegung so wichtig war.

Tipp: Gestaltet ein Poster (z.B. als Wahlplakat, …), mit dem Ihr Harvey Milk vorstellt.

Wenn Ihr gut genug Englisch versteht, gibt es hier auch eine zwei-minütige Rede von Harvey Milk als Originalaufnahme

Aufgabe 3

Über das Castro-Viertel in San Francisco sagt Harm-Peter:

“…ich muss dazu sagen, die Castro war damals ein so liberales durch und durch Schwulenviertel, dass wir (lacht), dass wir immer sagten, wir sind inzwischen so liberal, es dürften auch paar Heterosexuelle bei uns leben, wir würden die auch bei uns leben lassen und respektieren. Es war schon irgendwo sehr eigenartig umgekehrt. Und es war natürlich ein Paradies “

Denkt Euch einen “gewöhnlichen” Tag in Harm-Peters Leben, als er im Castro gewohnt hat, und diskutiert die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des schwulen Lebens in Deutschland und den USA zu jener Zeit.

Tipp: Was passiert, wenn eine (vermeintliche) gesellschaftliche Minderheit in einem begrenzten Raum zur Mehrheit wird? Was dürfte sich im alltäglichen Leben von Dietrich geändert haben?

Mögliche unklare Begriffe (Erklärt sie Euch gegenseitig oder schlagt sie nach, falls nötig.)

  • alliierte Armeen, Allied Forces
  • Castro
  • Hippe-Bewegung, 68er-Bewegung
  • Ikone
  • Koinzidenz

Namen, die genannt werden

  • Harvey Milk