Hintergrund
Die andauernde Diskriminierung im neuen Geschlecht und Marias Kampf dagegen.
Quelle/Material
Augstein from Agentur Bildung on Vimeo.
Marias Kampf gegen andauernde Diskriminierung [28:13 Min]
Es ist schon so, dass solche / dass immer die Gefahr besteht, äh, dass wir von der Gesellschaft generell und leider eben auch in der intimen Beziehung auf das alte Geschlecht, äh, zurückgeworfen werden sollen, das gibt es leider, ja, das sind die zwei Beispiele, die mir aus letzter Zeit dazu bekannt geworden sind. Aber Gott sei Dank bin ich davon dann auch verschont geblieben, und, äh, ja. Nee, da hab ich auch Glück gehabt, is ganz klar, dass ich die Frau kennengelernt habe, die für mich die Richtige war, und die mich auch glei-/ die mich als Frau von Anfang an lieben konnte, was nich selbstverständlich ist, leider leider.Ich hab die, äh, die Kämpfe mit der Umwelt, die fechte ich selber aus, also ich meine, äh, aufgrund dieser vermaledeiten Stimme, äh, werde ich ja nach wie vor falsch angesprochen. Und das Letzte in dem Zusammenhang, da war ich im / im Hotel Hyatt in Berlin auch, da komm, das is auch n Punkt, den ich ansprechen möchte, ne Veranstaltung ´Transgeschlechtlichkeit bei Kindern und Jugendlichen´, und da wurd ich vom Hotel dann zweimal, also von Personal zweimal falsch angesprochen. Ich häng mich dann ans Telefon und mit der Rezeption, und sag, hörn Sie mal, sagen Sie mir doch, was soll ich tun, damit ich hier im Hotel korrekt als Frau angesprochen werde? Soll ich mich jetzt ausziehen und nackt in die Rezeption kommen und die Belegschaft zusammentrommeln, dass alle sehen, ich bin eine Frau? Und morgen für den Weckruf legen Sie bitte jedem denkbaren Kollegen und Kollegin einen Zettel hin, dass sie mich als Frau anzusprechen haben. Und da war sie ein bisschen baff. Also ich, ich lang dann verbal hin, absolut, also wenn ich falsch angesprochen werde, dann, dann, dann ist ganz klar, dass es dann bei mir entsprechende heftige Reaktionen gibt. Und so hab ich im Grunde das Ganze auch mit der Umwelt (wegwischende Handbewegung) in diesen, ja, ich bin jetzt 36 Jahre eine Frau, in diesen 36 Jahren gehandhabt.
Ulrike Klöppel: Wie sind denn da Ihre eigenen Erfahrungen gewesen, jetzt sagen wir mal in den 70r Jahren vor allem noch in der Zeit, als Ihre Transition noch nicht abgeschlossen war, haben Sie
Maria Sabine Augstein: Negativ.
Ulrike Klöppel: Diskriminierung mit dem (…)
Maria Sabine Augstein: Ja, ja, klar. Aber ich habe mich wehren können.
Ulrike Klöppel: Ja
Maria Sabine Augstein: Ich habe mich absolut wehren können und, öh, ich habe / ich habe sogar auch einmal zu einem ganz drastischen Mittel greifen müssen, öh, da kam / ich war / hab / bin in n Lokal gegangen, da kannt ich den Wirt, der war schwul, hab da n Bier getrunken, und denn kommen zwei Schweizer und langen mich so an (Handbewegung wie jemand anders anfassen) und beleidigen mich und dann /dann hab ich mir ne Maß Bier bestellt und hab denen gesagt, wenn jetzt noch ein böses Wort fällt oder eine Berührung, dann hau ich denen diesen vollen Maßkrug auf den Kopf. Und da war Ruhe im Karton. Und dann bin ich zum Wirt und hab ihn gebeten, äh, diese beiden des Lokals zu verweisen und das hat der Wirt dann auch gemacht und als die dann gingen, die beiden, haben sie noch, öh, so gerufen „Alles schwule Juden hier“. Also das warn Na / Neonazis, diese Schweizer.
Maria Sabine Augstein: Ich habe immer erwartet von meiner Umwelt / habe das auch geltend gemacht, dass sie mich also bitte als Frau ansprechen und akzeptieren sollen.
„Gewordene Frau“ oder „Trans-Frau“? [31:37 Min – 33:15 Min]
Maria Sabine Augstein: (unterbricht): Also ich für mich / ich für mich habe immer nur davon gesprochen, ich will eine Frau werden, und, äh, es geht hier um ne Geschlechtsumwandlung. Und das is auch meine / meine Forderung an die Psychologie. Die Medizin und die Psychologie, die halten nach wie vor daran fest, es gibt keine echte Geschlechtsumwandlung, es gibt nur irgendwelche Anpassungen, und, äh, das lehne ich ab. Ich bin eine Frau, ich leugne meine Vergangenheit nicht, sonst säß ich auch nich hier, ich bin eine gewordene Frau, ich bevorzuge diesen Sprachgebrauch, dass ich eine gewordene Frau bin, äh, wa- / zum Beispiel, der / das hat meine Frau auch sofort gesagt, der Begriff Trans-Frau beinhaltet, du bist eigentlich doch keine, ätsch (zeigt mit dem Finger), also, die Gesellschaft k- / öhm, konnte / kann mit diesem Phänomen einfach auch nur so umgehn, sich vorzubehalten, eigentlich sind das ja keine Frauen und keine Männer ( abwinkende Handbewegung), sind ja nur Transleute. Und das, öh, lehne ich ab, das is für mich nich akzeptabel, aber wie gesagt, die Medizin und Psychologie leistet dem Vorschub, die / die frankfurter Sexualwissenschaftlerin Sophie Nette-Becker hat noch in einem Beitrag für HI- / für Zeit- / für die HIV-Zeitschrift geschrieben, m, es wird ver- / also, als Voraussetzung für die Operation verlangt sie, dass dem Betroffenen klar ist, dass sie keine Frau oder kein Mann werden durch die Operation. Das / ich finde es unglaublich, diese Unterwerfungs- / dieses Unterwerfungsverlangen unter die / unter das gesellschaftliche Diktat.
Arbeitsaufträge
Aufgabe 1
Seht Euch das Video von 28:13 Min bis 33:15 Min an. Überlegt Euch anschließend, in welchen anderen Situationen Marias geschlechtliche Identität angezweifelt oder in Frage gestellt werden könnte.
Tipp: Denkt an alltägliche Momente (z.B..: öffentliche Toiletten, Telefon, Modegeschäft, Krankenhaus, …).
Aufgabe 2
Setzt Euch damit auseinander, was es für Maria bedeuten kann, wenn sie als Mann angesprochen wird.
Aufgabe 3
Erörtert, inwiefern Maria mit ihrer Geschichte die üblichen Vorstellungen von Männlich- und Weiblichkeit unterläuft?
Tipp: Dabei könnt Ihr Euch auf die häufigen Annahmen beziehen, dass Geschlecht etwas Natürliches sei, sowie, dass ein Mensch sein_ihr Leben lang dem selben Geschlecht angehöre.
Mögliche unklare Begriffe (Erklärt sie Euch gegenseitig oder schlagt sie nach, falls nötig.)
- gesellschaftliches Diktat
- HIV